Zuerst erschienen auf der Website des #teamschnipsflausch.
Es ist Frühjahr 2014 und ich rege mich auf. Über irgendeinen Menschen, der mich auf meinem Lieblingskanal twitter antrollt. Worum es ging, habe ich vergessen, denn neben meinem Streitgespräch mit ihm rauschen plötzlich die ersten Tweets von Heike nach ihrer Diagnose durch meine Timeline. Das damalige Fräulein Schnips war noch nicht sehr lange Teil meiner täglichen Begleiter, aber manche Menschen finden den Weg in Dein Herz sozusagen im Short Cut. Einige Worte, zack, drin, fertisch.
Da steht es nun, dieses eine grauenhafte Wort, unterwandert alles Schöne, Sentimentale, Beiläufige, Unwichtige. Verdrängt die lustigen Familientweets, die bittersüßen Emotionen, die Gesellschaftskritik, die aktuellen Hashtags, die Empörung über wasauchimmer und die politischen Entwicklungen des Tages in meinem hübsch sortierten Newsfeed:
Krebs.
Die Schärfe dieses Wortes erschließt sich lediglich den Betroffenen voll. Selbst die direkten Angehörigen können immer nur raten, was eine solche Diagnose bedeutet. Was also sagen? Wie unterstützen? Wie auffangen?? Geht das überhaupt?
Wenige düstere Gedanken später geselle ich mich zu einem gerade neu entstehenden Kollektiv. So spontan Heikes Entscheidung war, ihre eigene Diagnose öffentlich mitzuteilen (würdest Du es genau so wieder tun, meine Liebe? Das habe ich mich oft gefragt), so plötzlich und doch irgendwie vorsichtig formiert sich eine Wolke aus Worten. Ein Versichern der eigenen Anteilnahme und des Da-Seins, wenn es auch virtuell ist. Ein kleiner, aber stetiger Strom aus Zuneigung für einen herzlichen, witzigen und offenen Menschen, dem ein langer Kampf bevorsteht. Von außen betrachtet hat es etwas Unwirkliches, denn die Vernetzung via Social Media ist körperlos. Niemand umarmt Dich tatsächlich, wenn Du *hug* schreibst. Es kann Dir auch niemand wirklich einen Kaffee hinstellen, Dein Kind betreuen, die Wohnung aufräumen oder die Hand bei der Therapie halten. Trotzdem ist es das, was wir alle in der nächsten Zeit virtuell versuchen zu tun – wir schicken Worte hin und her, die gerne Körper wären. Und es doch nicht sind.
Es ist ein eigenartiges Spiel mit Nähe und Distanz, diese Anteilnahme in sozialen Netzwerken. Das Virtuelle erlaubt jedem Teilnehmenden einen Rückzug bei Überforderung. Und lässt doch eine Nähe zu, die ich bis dahin selten erfahren habe.
Ich erinnere mich an eine Twitterkonversation mit Heike an einem Abend irgendwann im Juni 2014. Wir sind beide noch wach, ich sitze vor dem Rechner, und Heike drückt ihre Angst vor dem, was ihr bevorsteht, aus. Und fragt sich, ob jemand wohl noch mitlese. Meine Antwort ist unbeholfen, naiv und doch ganz ehrlich direkt aus meinem Herzen: „Lass ein bisschen Deiner Angst hier, wir tragen sie für Dich“.
Angst mittragen oder ertragen, das ist körperlos genau das gleiche wie das #drück oder *umarm* in einem Tweet. So sehr ich das in diesem Augenblick will: Möglich ist es mir lediglich virtuell.
Dann erreicht mich eine Mail von Jana. Sie hat meine Worte zusammen mit denen vieler anderer aus der Wolke gefischt und fragt uns, ob wir als symbolische Unterstützung für Heike und als tatsächliche Unterstützung für die Krebsforschung beim NCT-Lauf antreten wollen. Und ob ich will.
Ich erkläre mir das Hochgefühl am Tag des Laufes über mein eigenes Bedürfnis: Obwohl ich weiß, dass Heike zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht in Heidelberg sein kann, rechne ich mit Menschen, die die Sorge um sie teilen. Und die will ich kennen lernen. Im Meatspace aka „RL“. Am besten umarmen, stellvertretend für Heike sozusagen.
Und je mehr Menschen ich an diesem Tag zum ersten Mal live sehe, desto häufiger denke ich: Es geht nicht nur mir so.
Heute, ein Jahr später, freue ich mich mehr als Worte ausdrücken können auf den 10. Juli. In diesem Jahr, das auch für ein Leben ausreicht, hat Heike für sich und ihre Familie gekämpft. Sie hat uns teilhaben lassen an Wut und Schmerz und Verzweiflung, aber auch an Hoffnung und Freude. Während sie selbst sich gefragt hat, wie die nächsten Wochen für sie werden, was für weitere Schmerzen sie erwarten und wie sie sie überstehen soll, hat sie sich nach anderen erkundigt, mit ihnen gelacht und sich für ihr Leben interessiert. Ich habe gesehen, wie sie sich online unterhalten hat und dabei so häufig für die kleinsten Sorgen und Nöte ansprechbar war – obwohl doch ihre nächsten Schritte wie eine Art Damoklesschwert über ihr gehangen haben müssen.
Es erfüllt mich mit großer Dankbarkeit, Teil dieses Netzwerkes geworden zu sein. Über Heikes Weg, von dem wir alle wünschten, sie hätte ihn nicht gehen müssen, hat sich quasi begleitend ein kleiner Schwarm zusammen gefunden. Immer noch werden wir mehr. Und immer noch stehe ich staunend und mit großen Augen davor.
(Beitragsbild: RL-Kleinerdrei für Heike, die ich am 10. Juli endlich so richtig und in echt in die Arme nehmen kann. Hoffentlich erdrücke ich sie nicht gleich. Ein Scherz. Ok, ein halber, ich habe da tatsächlich ein bisschen Angst vor .. wie lang darf eigentlich so eine Bildunterschrift sein? Ich frage für eine Freundin …)
ClaudiaBerlin
Grade gibt es den Versuch, ein gigantisches, noch niemals dagewesenes “virtuelles Kollektiv” als existent zu demonstrieren; Eine Cowdfounding-Kampagne zur Rettung Griechenlands – die Server sind mittlerweile down wegen des Ansturms!
Ja, lasst uns das “andere Europa” demonstriern – durch selber zahlen:
https://s3.amazonaws.com/igg-errorpage/greece_message.html?sa=0&sp=0
und auf Twitter: #greekbailoutfund