Das Netz ist das, was Du draus machst

In eigener Sache

11 mal die Wahrheit – ein Blogstöckchen

Steffen hat mir ein Blogstöckchen an den Kopf geworfen. 🙂 Und obwohl es etwas unfair erscheint – denn die letzten Stöckchen habe ich meist aus Zeitgründen nicht aufgenommen – reizen mich die elf Fragen, die er verschiedenen bloggenden Menschen gestellt hat, sehr. Also beantworte ich sie, und begehe gleich danach einen fiesen Regelbruch.  

Gibt es einen Menschen, dem du schon immer mal die Meinung sagen wolltest, es aber noch nie getan hast? Und wenn ja: warum?

Mit der Zeit gab es immer mal wieder einen Menschen, der mich sprachlos hat stehen lassen – und dem ich daher meine Meinung nicht mit auf den Weg geben konnte. Das war letztlich meist ok. Eine Person ist mir bei dieser Frage aber sofort eingefallen: Mein Vater. Ich habe aufgrund sehr schwieriger Zeiten mit meinem Vater lange gedacht, dass wir vermutlich in meinem Erwachsenenalter keinen oder nur sehr eingeschränkten Kontakt halten werden. Als er und seine Frau Interesse an unseren Kindern zeigten und sich langsam eine neue Beziehung aufbaute, war ich so glücklich, dass ich viele, viele Dinge lieber nicht gesagt habe. Bis heute.

Was ist deiner Meinung nach der Weg zu einer zukunftsfähigen Welt?

Mitgefühl. Nicht nur gegenüber sich selbst und anderen Menschen, sondern gegenüber allen Wesen und der Natur an sich. Die meisten schaffen es nicht einmal, sich selbst liebevoll zu behandeln, geschweige denn andere Menschen – oder Tiere. Aber ich denke, wenn wir mehr Mitgefühl hätten, würden wir bereits heute eine Reihe anderer Entscheidungen treffen – sowohl im gesamtgesellschaftlichen und sozialen Kontext, als auch in der Planung unserer gemeinsamen Zukunft. Alle Dinge, an die ich glaube, – Nachhaltigkeit, soziales Handeln, (säkuläre) Ethik, geteilte Verantwortung, Gewaltlosigkeit, – haben direkt mit Mitgefühl zu tun.
Klingt ein bisschen wie der Dalai Lama, und ist auch von ihm, Arno Gruen und noch einer Reihe anderer Menschen beeinflusst.

Unter allen Emotionen, die dir eigen sind: Welche ist deine schwierigste und wie versuchst du, sie in dein Leben zu integrieren?

Ich glaube, bei mir geht es häufig nicht um die EINE Emotion, sondern mehr um die Intensität der Ausschläge bei allen Emotionen. So ganz ohne meine normale Kontrolle über meine Emotionen sind die Gefühlsamplituden sehr hoch – himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt, das haben viele schon über mich gesagt, als ich ein Kind war. Ich habe jahrelang versucht, mich selbst zu regulieren. Komme aber immer häufiger zu der Ansicht, dass das der falsche Weg sein könnte. Aktuell bemühe ich mich daher, mit diesen maximalen Gefühlsamplituden einfach klarzukommen, sie als Teil meines Wesens zu akzeptieren – und sie auch mal unreguliert da stehen zu lassen und selbst auszuhalten. Ist ziemlich anstrengend. Ob ich das jetzt als Vorgehen weiterempfehlen kann, weiß ich noch nicht. 😉

Das EINE Ding im Leben, das du anders machen würdest, wenn du die Zeit zurückdrehen könntest?

Oh, that´s a hard one! Von den großen Entscheidungen bereue ich keine einzige. Auch die falschen haben mich an diesen Punkt geführt und mich zu der Person gemacht, die ich heute bin. Es gibt aber eine Reihe von Feinjustierungen, für die ich mir heute vielleicht einen anderen Rat geben würde. Zum Beispiel würde ich mir gut zureden, ein Auslandssemester wahrzunehmen. Oder meine Flugangst sofort behandeln zu lassen, gleich nach dem ersten Auftreten. In einer mir sehr wichtigen Beziehung zu einem Menschen, die vor kurzem zu Ende ging, wünschte ich mir, konsequenter gewesen zu sein. Und insgesamt würde ich mir selbst durch alle Jahre hinweg raten, mir mehr Freude zu gönnen, und nicht immer sofort mich selbst in Frage zu stellen, nur weil es in meinem Leben gerade etwas ruppiger zugeht.

Welcher Wesenszug des dir nächsten Menschen ist für dich die größte Herausforderung?

Lustig, wie ich zunächst sofort an den Gatten dabei dachte. Aber was ist die „mir nächste“ Person? Meine emotionale Heimat, oder die Menschen, die mein Denken ausfüllen? Oder vielleicht die Person, die mir am ähnlichsten ist, oder diejenige, die mit mir das beinahe identische genetische Material teilt? Gar nicht so einfach, oder?

Ich nehme meine große Tochter, weil sie insgesamt meine größte Herausforderung darstellt. Und auch da muss ich eigentlich einen Workaround machen: Es ist nämlich gar kein bestimmter Wesenszug, der mich wahnsinnig machen kann, sondern ihre eigenartige Kombination aus Ähnlichkeit und vollkommener Andersartigkeit. Sie funktioniert nicht so wie ich, obwohl ich das zwischendrin immer wieder annehme – und wir erzeugen damit eine permanente Reibung, die eine wirklich große Herausforderung für uns beide darstellt.

Was ist für dich der Schlüssel zum Glück?

Liebe.

Welche fünf Bücher sollte jeder Mensch gelesen haben?

Das ist für eine Literaturwissenschaftlerin eine nicht zu beantwortende Frage! *empör*
Nun gut. Wenn ich jemandem erklären müsste, wie das menschliche Wesen funktioniert oder was der Mensch ist/ war, dann würde ich diese fünf Bücher auswählen:
Faust von Johann Wolfgang von Goethe. Jetzt bist Du vermutlich nicht gerade überrascht. Ich glaube, dass in diesem Werk ganz viele der absolut zentralen Fragen um das Menschsein und die Menschlichkeit gestellt werden.
Moby Dick von Herman Melville. Zwar habe ich mich bei der Lektüre – wie auch bei Goethes Faust – streckenweise extrem gelangweilt, trotzdem denke ich, es gehört aus vielen verschiedenen Gründen in diese fünf. Es zeigt, was menschliche Besessenheit anrichten kann, und wie Zerstörungswut auch uns selbst zersetzt.
Caspar Hauser von Jakob Wassermann. Es liegt ein eigener, melancholischer Zauber über der Geschichte um die empathische, schutzlose Seele von Caspar.
Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins von Milan Kundera. Weil sich der ganze Roman der Liebe zwischen zwei Menschen widmet.
Per Anhalter durch die Galaxis von Douglas Adams. Weil, wenn es nur fünf Bücher sein sollen, der Humor, die Kreativität und die Selbstironie von uns Menschen nicht zu kurz kommen darf.

Unnötig zu sagen, dass ich mit dieser Auswahl unglaublich unzufrieden bin, oder? Keine einzige Frau als Romanautorin, dabei sind die besten Bücher, die ich je gelesen habe, von Frauen geschrieben. Keiner meiner Lieblingsschriftsteller ist dabei, mal abgesehen vom reingemogelten Douglas Adams. Ich bin wirklich sehr unglücklich. Ich hasse solche Fragen, jawohl.

Was sind deine bisherigen Erfahrungen beim Treffen von Menschen, die du über das Internet kennengelernt hast?

Die meisten Menschen, die ich bisher traf, sind im RL genauso liebenswert, witzig, klug und inspirierend wie ich sie im virtuellen Raum erlebe. Dass meine Einschätzung überhaupt nicht hinhaute, habe ich bis heute nicht erlebt. Die Menschen, die ich im meatspace vollkommen anders wahrnahm als online, waren mir auch über den schriftlichen Austausch schon als nicht ganz konsistent, irgendwie „nicht echt“ erschienen. Mittlerweile zähle ich einige meiner Online-Bekanntschaften ganz offen zu meinen besten Freunden. Hach, dieses Internet.

Gibt es Dinge, die du mit ins Grab nehmen wirst, weil niemand anderes sie kennt?

Du hast mir einmal von einer Situation in Deinem Leben erzählt, auf die das vermutlich zutrifft und an die ich gerade sofort denken musste. Nein, ich selbst kann mich an nichts erinnern, was nicht mindestens eine weitere Person auch weiß oder geteilt hat.

Was nimmst du dir für’s nächste Leben vor?

Gar nichts. Erstens ist es sehr unwahrscheinlich, dass ich im nächsten Leben in der privilegierten Lage sein werde, meine Pläne umzusetzen. Und zweitens versuche ich gerade, genau dieses „Dann eben im nächsten Leben“ aus meinem Aktuellen zu verbannen. Eine sehr kluge Bloggerkollegin schrieb vor kurzem, dass die vielen Dinge, die wir tun wollen, sicher nicht alle gleichzeitig gehen. Wohl aber oft hinter einander. Daran arbeite ich.

Wieviele Stunden bräuchte dein Tag, damit du alles unter bekommst, was du gern erledigen/erleben würdest?

Ach je. Grob überschlagen komme ich auf 37. Acht Stunden Schlaf, zwei Stunden Essen und Essensvor- bzw. Nachbereitungen, eine Stunde Einkauf bei so tollen und viel zu selten besuchten Dingen wie Biobauernhöfen, regionalen Gemüsehändlern etc.. Zwei Stunden Musik machen, davon eine Stunde endlich Klavier lernen. Zehn Stunden schreiben und verwandte Arbeit (Erwerbstätigkeit mit eingerechnet). Zwei Stunden für (Familien-)Organisation, damit es nicht zu hektisch zugeht, zwei Stunden Ehrenamt. Kuschel-, Spiel-, Fernseh- und Quatschzeit (haben wir immer zu wenig): Sechs Stunden. Zeit für Sport, Freunde, Elternanrufe, Baden und so einen Kram: drei Stunden. Dann noch das Konferenzen-Organisieren oder was auch immer mir gerade wieder einfällt: 1 Stunde.
Vermutlich würden auch die 37 nach kürzester Zeit knapp werden. ^^ Aber: Siehe die vorhergehende Frage: Nacheinander geht es notfalls auch …

Danke, Steffen, für Deine wirklich herausfordernden und vielschichtigen Fragen. Es war mir eine große Freude, sie zu beantworten! Und auch eine Form von Schreibtherapie im Tal der letzten Tage. Nun zum Regelbruch:

Eigentlich funktioniert das Stöckchen so, dass ich mir nun selbst 11 Fragen ausdenke und meine Lieblingsblogs dafür nominiere. Mach ich aber nicht! Zum Einen fallen mir längst keine so spannenden Fragen ein. Zum Anderen kann ich keine Auswahl meiner Lieblingsblogs treffen, ohne jemanden unter irgendeine Form von Schreibzwang zu setzen, und das mag ich aktuell so gar nicht tun. Tut mir leid! Bestimmt lande ich in der Blogstöckchen-Hölle wegen Regelverstoßes … ob es da wohl Kekse gibt?

(Beitragsbild: Geständnisse aus meinem Tagebuch von 1994. Die Identität des damals Angebeteten ist der Redaktion bekannt. Heute gibt es für Geständnisse ja den eigenen, öffentlichen Blog. Das ist viel besser ;))

  1. Ute

    hahahahahaha

  2. Oh, jetzt seh ich erst, dass du mich nicht nur verlinkt hast, sondern mich auch noch klug genannt. *blush* Alles Liebe und ich hoffe du hast Spaß am hintereinander Abarbeiten deiner Leben 🙂

Schreibe eine Antwort