Aktuell lese ich das Buch Zehn Milliarden von Stephen Emmott. Eine deprimierende Lektüre. Wer sich gerne so richtig jeden Zukunftsoptimismus und den ein- oder anderen Abend versauen möchte, ist mit diesem Buch voller schmerzhafter Fakten ausgesprochen gut beraten.
Was wehtut, hat Sinn. Stephen Emmott zeigt anhand von Daten, wie es auf diesem Planeten in weniger als 50 Jahren aussehen wird – eine Zeit, die viele von uns noch erleben werden. Aber vor allem wird es die Welt unserer Kinder sein.
Diese tolle Rezension vom Caféhaussitzer sei jedem empfohlen, der noch nicht genau weiß, ob er sich die Lektüre antun möchte.Was das Ganze mit meiner Überschrift zu tun hat? Neben den mir bereits bekannten Fakten zu den unzähligen Problemen, die unser weltweit steigender Fleischkonsum mit sich bringt (Als vegetarisch-vegan lebender Mensch kenne ich die Zahlen – aber sie in ihrer Dramatik und in ihrem Zusammenhang zu sehen ist noch einmal etwas anderes), haben mich Stephen Emmotts Ausführungen zu den landwirtschaftlich genutzten Flächen ungeheuer beeindruckt.
Die Menschheit nutzt bereits so ziemlich alle verfügbaren Flächen des Planeten für den Anbau von Nahrungsmitteln. Die so genannte “Grüne Revolution” des letzten Jahrhunderts (paradoxer Name) hat durch den Einsatz von Pestiziden den Ertrag erhöhen können. Potential nach oben gibt es da durch die vielen entstehenden Resistenzen und den enorm gestiegenen Verbrauch von Wasser kaum. Zumindest heute nicht. Das bedeutet, wir können nicht noch mehr anbauen. Wir werden aber viel, viel mehr brauchen.
Der Schluss, den Emmott aus allem zieht ist: Es muss sich global etwas ändern. Was ziemlich deprimierender Scheiß ist, denn wie sollen wir bitteschön die Menschen der so genannten Industrienationen dazu bringen, von heute auf morgen auf Konsum, Autos und die vielen Annehmlichkeiten unserer hohen technologischen Standards zu verzichten?
Andererseits sind wir alle auch einzeln Teil des Problems, und können selbstverständlich Teil der Lösung werden. “Mimimi, daran lässt sich ja gar nichts mehr ändern, ich fahre weiter mit 200 Sachen über jede Autobahn und nehmt mir bloß nicht mein Billigschnitzel weg” ist mit Sicherheit die falsche Idee.
Im Forum der Plattform utopia finden sich immer wieder schöne Vorschläge, wie man selbst Teil der Lösung werden kann. Letztes Jahr um diese Zeit hat eine Nutzerin gebloggt, sie betreibe leidenschaftlich “Gemüseguerilla”. Wenn sie sich Setzlinge für Tomaten, Paprika, Zucchini zieht und für die eigenen Flächen zu viele hat, geht sie zu den ungenutzten Wiesen am Rand ihrer Stadt und pflanzt sie ein. Seit Jahren wachsen an diesen Stellen also “Bio-Zucchini” (da ungedüngt und sich selbst überlassen) und weiteres Gemüse, das die Menschen auf ihren Sonntagsspaziergängen ernten. Dieses Jahr kommt das Frühjahr eher, und so werde ich selbst demnächst mit meinen Wildblumensamen und dem Zuviel an Setzlingen des Gatten in Richtung Bahndamm wandern, um Gemüseguerilla zu spielen.
Sicher kann man entgegnen: Was soll das? Unsere globalen Probleme werden nicht durch ein paar wildwachsende Tomaten gelöst. Fair enough! Aber rechtfertigt eine solche Argumentation ein Nicht-Überdenken des eigenen Verhaltens? Wem es zu blöd ist, wilde Gemüsegärten zu provozieren, kann sich anders engagieren. Z.B. bei den “Mein Jahr ohne”-Bloggerinnen, die sich alle vornehmen, auf irgend etwas ein Jahr lang zu verzichten, und darüber schreiben. Oder man unterschreibt fürs erste diese wichtige Petition, denn Genmais, ich versichere, wird die negative Entwicklung lediglich beschleunigen und eignet sich nicht als Problem- und Hungerlöser (Nur noch bis heute, 13. Also schnell, bitte mitzeichnen!). Man kann auch versuchen, nicht mehr so endlos viele Nahrungsmittel einfach wegzuschmeißen. Besser planen. Reste verwerten oder wenigstens kompostieren. Sich selbst fragen, ob es eigentlich Papaya sein muss, oder Pecannüsse. Oder das 15. T-Shirt von H&M. Die Nachfrage und der Hunger nach Konsumgütern von weniger als 2 Milliarden Menschen bestimmt maßgeblich die Entwicklung unseres Planeten und unseres Zusammenlebens. Es ist schlichtweg unsere soziale Verantwortung, unser eigenes Verhalten zu überdenken.
Stephen Emmotts Zukunft möchte ich nicht erleben. Sein Tipp sieht etwa so aus: Wenn Sibirien in den nächsten 50 Jahren auftaut – was wahrscheinlich ist – wird Russland zu DER wirtschaftlichen Großmacht dieses Kontinents. Die gemäßigten Regionen Europas, denen es weiterhin wirtschaftlich gut gehen wird, werden mithilfe von Militär abgeriegelt werden müssen, um die Klimaflüchtlinge aus allen Ländern fernzuhalten. Es wird Kriege um die Verteilung von Nahrungsmitteln und Wasser geben. Wenn es so weit ist, werden wir unsere Privilegien und unseren Konsum nur noch mit Waffengewalt aufrecht erhalten können. Wenn ich dann noch lebe, werde ich etwa 80 Jahre alt sein. Meine Kinder um die 50. Das ist für heutige Maßstäbe nicht alt.
Noch etwas lässt sich tun. Und zwar: Bloggen. Interessiert niemanden? Nein? Findet Tante Jay nicht. Und ich schließe mich ihr herzlich an.
Allein für diesen Planeten zu beten wird nicht reichen. Aber auch das ist ein Anfang. Denn die Macht von Sprache und Gedanken wird immer noch schwer unterschätzt.
Anita
Die Petition läuft übrigens nur noch bis morgen.
Leider kann man nicht erkennen, wie viele Stimmen noch fehlen!
Die 50Jahre-Grenze kann sich übrigens massiv verkürzen. Dazu benötigen wir nur noch ein oder zwei größere Naturkatastrophen oder ein AKW was hochgeht. /(
junebug
Danke. Habs oben noch einmal eingefügt. Es fehlen ca. noch 5.000 Stimmen. (Mein Browser zeigt mir das im Übrigen nicht an, weil ich verschiedene Privatsphäre-Add-Ons verwende. Vielleicht ist das bei Dir auch so?
Seine Angaben, schreibt er selbst, sind tatsächlich eher konservativ gerechnet. So richtig weiß einfach niemand, wann wir den tipping point erreichen, und wie schnell es von da an gehen wird – und dafür braucht es nicht einmal irgend eine Katastrophe :(( Aber Kopf in den Sand stecken ist nicht! 😉
Anita
Schon komisch, das (gefühlt) so wenige Menschen Interesse an dieser Petition haben.
“Kopf – in – Sand – stecken”, nein das liegt mir nicht.
Und im “finden von Daten”, bin ich a) “latent” untalentiert und b) immer noch in der Lernphase. 😆
junebug
😀 (Wie wir alle!)
Rainer König
Danke für den Buchtip, ich habe mir das dann auch gleich mal zum Geburtstag geleistet. (Du solltest den Pingback bekommen, habe darüber gelboggt).
Das Thema mag bedrückend sein, aber es ist wichtig es jetzt zu addressieren und nicht erst dann, wenn es viel zu spät ist. Ja, die Welt dreht mächtig am Rad und dank Marketing werden bei uns “Wohlhabenden” ständig Wünsche für Dinge geweckt, die eigentlich total unwichtig sind und die keiner wirklich braucht. Auf der anderen Seite machen wir die Rechnung ohne den Wirt, sprich die Infrastrukturkosten, denn die Autobahnen auf denen die Güter möglichst billig rollen sind ja eh da. Und längst haben wir keine Lagerhaltung mehr, das Lager ist “time to market” und rollt über die Straße. Natürlich um den besten Tagespreis zu erzielen. Und wo Firmen hier noch betriebswirtschaftliches Optimierungspotential sehen zocken Großbanken ganz ungeniert mit Rohstoffen. Vor vielen Jahren habe ich mal gelesen, dass 95% der Geldströme die sich täglich aufgrund von Finanztransaktionen um den Globus bewegen rein “spekulativ” sind und ihnen keinerlei Waren oder Dienstleistungen entgegenstehen. Hauptsache der Banker macht den Profit, auch wenn er außer zum Spekulieren gar keine Verwendung für die Dinge hat mit denen er an den Warenbörsen hantiert.
Wie sagte Ghandi doch: Es ist genug da für die Bedürfnisse aller, aber niemals genug für die Gier eines Einzelnen. Ich versuche mittlerweile sehr bewußt lokal einzukaufen und Produkte zu kaufen die nicht schon dreimal um den Globus geflogen wurden bevor sie im Ladenregal landen. Aber das tue ich weil ich mir der Problematik bewußt bin und es mir zudem auch leisten kann. Viele haben keinerlei Problembewußtsein, denn dieses Thema kommt bestimmt nicht auf RTL & Co.
Na, ich werde das Buch auf jeden Fall lesen, auch wenn es weh tun wird. Aber ich denke, ich bin es meinen Kindern schuldig.
junebug
Und auch noch einmal hier ganz herzlichen Glückwunsch zu Deinem Geburtstag! Das Doodle war ja niedlich ;))
Ich wünsche Dir eine gute Lektüre. Vielleicht magst Du ja danach Deine Eindrücke verbloggen, dann diskutieren wir bei Dir drüben weiter.
Tja, Problembewußtsein ist leider gar nicht einmal alles. Wenn Du versuchst, vegan zu leben, erlebst Du haufenweise kuriose Diskussionen. Neben dem vielen Unsinn, der Dir um die Ohren gehauen wird, erschreckten mich die folgenden Haltungen (da ich insgeheim natürlich dachte, wenn alle von den gleichen Fakten ausgingen, müssten sie doch irgendwie zum gleichen Ergebnis kommen, gerade in Bezug auf Massentierhaltung, – das Buch, das ich da empfehlen kann, ist “Tiere Essen” von Foer):
1. “Was kümmern mich die Tiere? Ich habe ein Recht darauf, sie zu essen, auch wenn sie vorher gequält werden – das Tierleid habe ich übrigens nicht zu verantworten.” Gerne auch von Atheisten in diesem Zusammenhang mit entsprechender Bibelstelle: “Und Gott sprach, mach Dir die Erde untertan”.
2. “Was redest Du von den Tieren? Zuerst kommen immer die Menschen”. (Kann ich verstehen, aber auf die Frage, wie es denn mit Fairtrade-Kaffee und regionalem Einkauf aussieht, werden diejenigen, die das geäußert haben, regelmäßig ganz still)
3. “Ich habe ein Recht auf meinen Konsum und auf die Privilegien, die mir durch meine Geburt zugefallen sind. Ich denke nicht daran, mich irgendwo einzuschränken. Schließlich lebe ICH nicht in Bangladesh/Afrika/Indien etc.”
Das dritte Zitat macht mich regelmäßig fertig. Es ist also keineswegs einfach nur mangelndes Problembewußtsein, es ist manchmal schlicht die Annahme, man selbst hätte das (gottgegebene?) RECHT, sich wie die Axt im Walde zu verhalten. Weil andere das an der eigenen Stelle wohl auch täten? Ich weiß es nicht. Dass es kein Problem der Generationen ist, sieht man auch immer wieder. Gestern, nachdem ich diesen Post veröffentlichte, las ich das: http://www.spiegel.de/unispiegel/heft/mensa-studenten-kaempfen-fuer-das-recht-auf-wurst-und-buletten-a-955599.html
Ich wünschte mir wirklich inständig, es wäre Satire.
Der Mangel an Empathie gegenüber anderen Menschen, Tieren, dem Planeten … ich kann ihn mir bis heute nicht erklären. Wenn ich irgend etwas ändern könnte, tatsächlich ändern, es wäre diese Einstellung, dieses: “Die anderen sind mir egal”. Vielleicht gäbe es dann wirklich und ganz reell Hoffnung … ich weiß es nicht.
Anita
Was Du in diesem Zusammenhang mit Empathie beschreibst
Zitat: “Der Mangel an Empathie gegenüber anderen Menschen, Tieren, dem Planeten … ich kann ihn mir bis heute nicht erklären. ”
würde ich durch Respekt ersetzen.
Wann es passiert ist, dass der Respekt vor Jeglichem verschwunden ist …………… ich kann es nicht nachvollziehen.
Alle Punkte: Fair-Trade, Regional, Massentierhaltung sind gut und wichtig, was mich auch anwidert ist diese “Immer-Verfügbarkteit-von-Allem”.
Du kannst Dich, egal wo, massiv unbeliebt machen, wenn Du nur darauf aufmerksam machst, dass irgendein Gemüse oder Obst derzeit ja noch gar nicht wächst und dann eben jetzt auch nicht auf den Speisezettel gehört!
Was in diesem Zusammenhang an Vernichtung von Lebensmitteln von statten geht ……… 🙄 Grundwasserabsenkung in Spanien wegen der Erdbeerproduktion usw. usf.
Respekt für die Nahrung. Respekt vor und für eine vernünftige Tierhaltung. Bewusster Umgang mit all dem.
Respekt vor dem Hunger und nicht unsere Abfallprodukte als “Good-Will” in die hungernden Länder zu schicken.
Aber auch das ist in den kunterbunten Medien sehr selten Thema, außer man kann es plakativ für sich nutzen.
Etwas mehr Achtsamkeit und Respekt täte uns gut!