Das Netz ist das, was Du draus machst

Kinder, Literatur und Gesellschaft

Ich hab mich selber schön

Was für ein schöner Tag! Ein Tag zum spazieren gehen. Valentin spazierte zum Teich. Und guckte ins Wasser. Aus dem Wasser guckte auch ein Valentin. Verkehrt herum, aber ebenso grün und pelzig. Der Ufer-Valentin schaute sich den Wasser-Valentin an. Lange. Und rümpfte die Nase. 

„So ein hässlicher Runzelwurm!“, sagte er.

„Ganz grün und pelzig und sonst nichts.“

(aus: Valentin macht sich schön, Ravensburg 2002)

Die Pixibuch-Geschichte der grünen, pelzigen Raupe Valentin benötigt 10 kleine Doppelseiten mit wenig Text darauf, um ihren kleinen Lesern und großen Vorlesern eine ultimative Wahrheit nahe zu bringen. Nämlich, dass Wesen aus sich selbst heraus schön sind. So, wie sie sind. Ganz unverändert. Und dass Selbstzweifel zwar normal sind, letztlich aber überwunden werden sollten.

Is klar, ne?

Von wegen. Denn gerade ging eine weitere Staffel Germanys Next Top Model zu Ende. Und egal, wie ich persönlich zur Wahl stehe (gottseidank ist es nicht der vollendete Hungerhaken geworden): Ich fasse es nicht, dass Körperverletzungen wie dieses Format überhaupt noch existieren. Beklagenswert ist dabei so manches: Von der Art und Weise, Mädchen bei Fotoshootings in unangenehme Situationen zu bringen, über die absichtlich herbeigeführten Zickenkämpfe zwischen den Teilnehmerinnen, bis hin zum unerträglich mangelnden Talent der (Haupt-) Jurorin. Das Schlimmste  aber fasste Imre Grimm für die Hannoversche Allgemeine Zeitung zusammen: „Mädchenkörper sind entmenschlichte Requisiten in dieser Welt. Sachen. […]  Seit sieben Jahren hämmert die Geschäftsfrau […] 15- oder 16-jährigen, vor Ehrgeiz zitternden Geschöpfen ihre verheerende Botschaft ein: dass nämlich kein Mensch auf der Welt, und sei er noch so klug, attraktiv und liebenswert, einfach so schön ist, wie er ist.“

Wir können also Valentin lesen, so oft und so begeistert, wie wir wollen. Sind unsere Kinder einmal in der Pubertät, zählen andere Richtlinien. Dann bringen andere Menschen unseren Kindern bei, dass nur derjenige (zweifelhaften) Erfolg hat im Leben, der einem bestimmten Prototyp entspricht. Dieser Prototyp, leider, hat mit dem normal dicken/großen/intelligenten Menschen nichts zu tun – er ist vielmehr ein Kunstprodukt. Noch dazu ein sehr gefährliches: „Jedes fünfte Kind zwischen neun und 14 Jahren wünscht sich eine Schönheitsoperation. Der Markt reagiert mit Beautysalons für Elfjährige. Essstörungen nehmen rasant zu.“ (Imre Grimm, HAZ, http://www.haz.de/Nachrichten/Medien/Fernsehen/Brust-raus-Bauch-rein-Hirn-aus).

 Ich will nicht, dass sich meine Töchter mit diesem verqueren Ideal konfrontieren. Ich will, dass meine Töchter mehr wie Valentin sind. Der eine lange Reise hinter sich bringt, um am Ende zu erkennen: Geliebt wird nur der, der sich selbst treu bleibt. Der ist, wie er ist. Und genau derjenige ist auch schön.

 

Schreibe eine Antwort

%d Bloggern gefällt das: